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„Es hilft einfach, wenn man nicht allein ist.“ – 11 Fragen an Anna Morgenroth

Als ich 2023 meine Weiterbildung zur freien Lektorin gemacht habe, war ich natürlich nicht allein, sondern habe in dieser Zeit viele wunderbare Kolleg*innen kennenlernen dürfen. Eine davon ist Anna Morgenroth. Und Anna ist nicht nur ein ganz toller Mensch, sondern auch eine fabelhafte Autorin. Im Dezember 2023 hat sie mit ihrem Debüt „Liam Andersen und das Buch der Schatten“ ein phantastisches Kinderbuch veröffentlicht. Ich selbst durfte dabei das Korrektorat übernehmen und bei der Arbeit ist mir nicht nur Liam sehr ans Herz gewachsen, sondern besonders ein flauschiges weißes Fellknäuel (wer Genaueres wissen will, kann das Buch hier bestellen). Grund genug also, Anna heute ein paar Fragen zu stellen und herauszufinden, wie Liams Geschichte denn ursprünglich entstanden ist.

 

 Das Interview mit Anna Morgenroth

 

Liebe Anna, die Veröffentlichung deines ersten Kinderbuchs „Liam Andersen und das Buch der Schatten“ im Dezember 2023 ist noch gar nicht so lange her. Doch lass uns zunächst nochmal zurückblicken: Wie bist du zum Schreiben von Kinderbüchern gekommen? Was begeistert dich daran?

 

 Ich hatte nie wirklich den Plan, Kinderbücher zu schreiben. Aber eines Tages tauchte in meinem Kopf die Frage auf, was denn eigentlich wäre, wenn jemandem die Magie geklaut werden würde. Und diese Frage hat mich so sehr beschäftigt, dass mir klar war: daraus würde ich ein Buch machen. Da ich sehr viele Kinderbücher lese und ein großer Fan von einigen Kinderbuchautor*innen bin, lag die Entscheidung, daraus ein Kinderbuch zu machen, dann ziemlich nahe. Ich persönlich denke gar nicht so viel darüber nach, dass ich ein Kinderbuch schreibe, mich fasziniert es aber, sich seine eigene Fantasywelt erschaffen zu können. Es ist einfach wunderbar, sich magische Tiere ausdenken zu dürfen, aber auch Zauberer und Zwerge und Hexen, sich in der slawischen Mythologie bedienen zu dürfen und all das zu seiner ganz eigenen, noch nie dagewesenen Geschichte zusammenzufügen.

 

„Liam Andersen und das Buch der Schatten“ hast du im Selfpublishing veröffentlicht. Was sind deine Top 3 der Dinge, die du im Veröffentlichungsprozess gelernt hast? Was hättest du gerne vorher gewusst?

 

1. Mache dir einen Veröffentlichungsplan – ich bin da etwas Hals über Kopf hineingestürzt, weil ich keine wirkliche Ahnung davon hatte, was auf mich zukommt. Mit diesem Plan schaffst du es auch, deine Termine einzuhalten und strukturierter vorzugehen. Beginne frühzeitig damit, deinen Klappentext, deinen Pitch und deine Vita zu schreiben, denn das sind Faktoren, die man zeitlich leicht unterschätzt.

 

2. Vernetze dich schon vorher auf einem Social-Media-Kanal deiner Wahl (bei mir ist das Instagram) mit anderen Selfpublisher*innen, Autor*innen, vor allem aber auch mit Buchblogger*innen. Informiere dich über Möglichkeiten, dein Buch schon vor der Veröffentlichung zu promoten und über Methoden des Buchmarketings nach der Veröffentlichung.

 

3. Mach dir nicht so viele Sorgen. Ich habe mir über wirklich alles Sorgen gemacht – und ganz ehrlich: das ist es gar nicht wert. Viele Dinge haben sich von allein gelöst, während ich noch dabei war, mir Sorgen zu machen und oft habe ich genau die Menschen getroffen, die ich gebraucht habe, wenn ich mal wieder den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen habe.

 

Was war dein größter Glücksmoment im Veröffentlichungsprozess? (Das erste Mal das Buchbaby in Händen zu halten, läuft bei dieser Frage aber außer Konkurrenz.)

 

Das Cover und den Buchsatz zu sehen. Plötzlich wird vor deinen Augen aus deinem „Geschreibsel“ etwas, das wirklich professionell aussieht. Es ist wie eine Verwandlung vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan. Zu dem Cover muss ich noch erzählen, dass es aus einem Bild heraus entstanden ist, das mir ein damals dreizehnjähriges Mädchen namens Hannah gemalt hat, und meine Coverdesignerin hat aus diesem Bild etwas ganz Wunderbares gezaubert. Ich mag daran auch, dass es ungewöhnlich ist. Als mir Annie von Smaragdfuchsdesign die ersten Entwürfe geschickt hat, saß ich wirklich wie gebannt vor dem Bildschirm und habe es einfach nur bewundert. Ich hoffe, ich darf das so sagen, denn ich habe ja selbst nicht viel dazu beigetragen. Außerdem habe ich mir ziemlich viel Sorgen vorher darüber gemacht. Werde ich eine gute Coverdesignerin finden? Wie wird das Cover ausschauen? Wird es zum Buch passen? Beim Buchsatz war es ganz ähnlich. Sabrina Cremer von der Textwerkstatt hat mir ein paar Möglichkeiten geschickt, wie der fertige Text ausschauen könnte. Das war ein Aha-Erlebnis. Das geschah auch noch alles ziemlich gleichzeitig. Plötzlich habe ich gemerkt: das wird jetzt wirklich ein Buch! Es hört sich jetzt banal an, aber bis dahin existierte es ja nur als Word-Datei auf meinem Bildschirm.

 

Wie konstant hast du an Liam geschrieben? Hast du eine Schreibroutine? Wenn ja, wie sieht diese aus?

 

Konstant geschrieben habe ich an Liam gar nicht. Ich habe im Jahr 2020 die erste Version recht zügig heruntergeschrieben, ohne allzu viel darüber nachzudenken. So funktioniert es bei mir auch am besten. An manchen Tagen habe ich mehr als zwanzig Seiten geschrieben. Das war sogar für mich überraschend. Ich war richtig im Flow. Eine Schreibroutine habe ich nicht, dafür ist mein Alltag einfach zu unruhig. Noch dazu hatte ich 2021 eine schwere Krankheit zu überstehen, das hat eigentlich jeden Versuch, eine Routine entstehen zu lassen, wieder zunichte gemacht. Ich habe es gelernt, Zeiten zu nutzen, in denen es etwas ruhiger im Leben zugeht, um viel zu schreiben. Meine erste Version war an manchen Stellen auch wirklich nur eine Aneinanderreihung von Geschehnissen. Aber die Tatsache, dass da schon mal ein Gerüst stand, hat ziemlich viel Druck von mir genommen. Die erste Überarbeitung hat mir richtig Spaß gemacht, weil es schön ist, alles auszuschmücken. Die zweite und dritte Überarbeitung war dann nur noch „Augen zu und durch“.

 

Was war deine größte Herausforderung beim Schreiben bisher?

 

Ich schreibe ja noch an einem Krimi, den ich auch 2020 angefangen habe. Und dieser Krimi ist meine wirklich größte Herausforderung. Ich frage mich nämlich ständig, was meine Leser jetzt glauben, assoziieren und mutmaßen und ob ich sie jetzt unwissentlich auf eine falsche Fährte locke. Mit meinem eigenen Tunnelblick kann ich auch nicht mehr feststellen, ob und wann der Krimi spannend ist. Auch die Polizeiarbeit fordert mich, immer wieder überlege ich mir, ob das nun in der Realität so gehandhabt wird. Da hat auch das Recherchieren seine Grenzen, habe ich gemerkt. Man kann Dr. Google einfach nicht alles fragen. Da lobe ich mir dann doch mein Fantasybuch, in dem ich mir meine Welt so erschaffen kann, wie ich sie möchte.

 

Wie hast du dir das Handwerkszeug angeeignet? Hast du Kurse besucht, Schreibratgeber gelesen (gerne mit Empfehlungen) oder dich einfach ausprobiert?

 

Bevor ich mit dem Plotten begonnen habe, habe ich mich recht gründlich eingelesen. Ein Buch, das ich als Grundlagenbuch empfehlen kann, ist „Romane schreiben für Dummies“ von Hollmann/Johanus. Später habe ich auch speziellere Bücher zu bestimmten Themen gelesen: einige von Röntgen, Waldscheidt, aber auch Ratgeber zu Jugendbüchern, Fantasy, Weltenbau und Krimis. Und ich lese immer noch Schreibratgeber. Immer wieder einmal nehme ich mir Bücher zur Hand, um mein Wissen zu bestimmten Schreibtechniken zu erweitern. Kurse habe ich auch besucht, manche waren fantastisch, bei anderen hätte man sich das Geld auch sparen können. Das sind aber alles Erfahrungen, die einem helfen, den eigenen Weg zu finden. Was mich wirklich weitergebracht hat, war der Lektoratskurs, den ich letztes Jahr belegt habe, denn seither passieren mir typische Anfängerfehler hoffentlich nicht mehr – wobei: garantieren möchte ich dafür jetzt auch nicht. Mittlerweile gebe ich selbst einen Schreibkurs für Schüler*innen. Das macht mir sehr viel Spaß, auch wenn ich mein vorbereitetes Konzept völlig über Bord werfen musste, weil mir meine Schüler*innen sehr schnell klar gemacht haben, dass sie eigentlich nur eines wollen: schreiben. Jetzt schreiben wir zusammen ein Kinderbuch mit dem Titel „Das Geistertaxi“ und ich bin einfach immer wieder fasziniert vom Ideenreichtum der Kinder. Da würde ich mir wirklich gerne eine Scheibe davon abschneiden.

 

Was machst du, wenn es mit dem Schreiben mal so gar nicht klappen will? Wie gehst du mit „Schreibblockaden“ um?

 

Eine richtige Schreibblockade hatte ich in dem Sinne noch nie. Schreiben kann ich eigentlich immer. Allerdings komme ich manchmal mit der Geschichte ins Stocken, weil ich im Laufe des Schreibens merke: Da gibt es Plotholes und Logikknoten, und bevor all diese Dinge nicht gelöst sind, ist Weiterschreiben sinnlos. Im letzten Jahr habe ich zum Beispiel aufgehört, an Liam 2 weiterzuschreiben, weil mir klar wurde, dass ich erst die Vorgeschichte dazu komplett schreiben muss, damit mir keine Logikfehler passieren und mir auch die Figurenmotivation wirklich klar wird. Das war schon ziemlich frustrierend. Eigentlich wollte ich das Buch spätestens im September fertig geschrieben haben. Was mir da sehr geholfen hat, überhaupt wieder in die Spur zu kommen, war, all diese Probleme mit meiner Schreibgruppe zu diskutieren. Steffi und Adriane hatten noch einen unverfälschten Blick auf das Buch, haben mir ein paar Dinge wirklich um die Ohren geschmissen, mich aber stattdessen immer wieder mit neuen Ideen versorgt. Es hilft einfach, wenn man nicht allein ist. Und es hilft, wenn man durch die Schreibgruppe immer wieder Deadlines hat. Auch wenn es keine wirklichen Deadlines sind, fühlt man sich doch verpflichtet, zu den regelmäßigen Online-Treffen auch wirklich etwas „mitzubringen“. Letztendlich hilft mir auch die Einstellung, dass ich durch jede Schwierigkeit auch dazu lerne. Beim Schreiben kann man wirklich sagen: man lernt einfach nie aus.

 

Hast du Vorbilder beim Schreiben? Texte oder Menschen, die dich inspirieren?

 

Ja, aber natürlich. Ich liebe zum Beispiel im Kinder- und Jugendbereich John Green. Er schafft es, Texten eine emotionale Tiefe zu geben, die ich immer wieder bestaune. „Looking for Alaska“ (Eine wie Alaska) und „The fault in our stars“ (Das Schicksal ist ein mieser Verräter) gehören zu meinen Lieblingsbüchern. Ich mag ganz grundsätzlich diese Art der Jugendbücher, ich würde noch „The Outsiders“ und „Der Club der toten Dichter“ dazufügen. Dann gibt es aber noch eine ganz andere „Sparte“ von Jugendbüchern, zum Beispiel die von Kerstin Gier, um mal eine deutsche Autorin zu nennen. „Silber“ zum Beispiel ist so leicht und flüssig zu lesen, so amüsant und spannend, dass ich oft einfach nur denke: so möchte ich auch schreiben können. Ich glaube, es ist sehr schwer, so zu schreiben, dass der Leser nur durch die Seiten gleitet und gleichzeitig das Buch nicht weglegen kann. Mit Kerstin Gier würde ich mich sehr gerne einmal länger unterhalten. Und dann wären da noch Carlos Ruiz Zafón, Dörte Hansen, und, und, und …

 

Was ist dein WARUM beim Schreiben? Was treibt dich an?

 

Das ist bis jetzt die schwierigste Frage. Ich habe kein „warum“ beim Schreiben, Schreiben ist mein „warum“. Ohne jetzt zu stark in die Philosophie abdriften zu wollen, ist es doch so, dass wir Menschen alle sehr gerne kreativ sind. Kreativität ist dabei kein Talent und hat nichts mit Intelligenz zu tun. Wir haben quasi einen schöpferischen Willen in uns und wir alle empfinden Freude am Erschaffen neuer Dinge. Bei manchen Menschen ist das vielleicht ein bisschen verschüttet, weil sie im täglichen Hamsterrad ihres Lebens die Zeit einfach nicht haben, um ihre Kreativität tatsächlich zu leben. Aber ich glaube, dass alle Menschen es gerne tun würden – und jeder auf seine Art und Weise. Es ist ja bekannt, dass Kreativität glücklich macht. Jeder, der malt, bastelt, strickt, tanzt, fotografiert, musiziert oder näht, tut dies ja, weil es ihn befriedigt. Meine Art und Weise, kreativ zu sein, ist einfach das Schreiben. Ich schreibe um des Schreibens willen. Und das mit dem Glücklichmachen kann ich tatsächlich bestätigen.

 

Wann hast du mit dem Schreiben von Geschichten angefangen? Und wie lange hat es gedauert, bis du deine Geschichten mit anderen geteilt hast?

 

Ich glaube, da bin ich nicht ganz typisch. Ich habe sehr, sehr spät angefangen zu schreiben. Es gab zwar mal ein paar Versuche, Kurzgeschichten zu schreiben, als ich noch ein Teenie war, aber das habe ich damals schnell wieder gelassen. Das Leben war einfach immer zu voll. Abitur, Studium, Beruf, eine Familie gründen – eigentlich war da nie Platz für die Kreativität, die ich oben erwähnt habe. Ich war selbst das allerbeste Beispiel für das Hamsterrad. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass mir viele Dinge gar nicht so viel Spaß machen, wie ich immer dachte, dass es an der Zeit war, Neues auszuprobieren. Auch durch meine Krankheit habe ich gelernt, in neuen Bahnen zu denken. Damals habe ich sehr vieles in meinem Leben auf den Prüfstand gestellt und begonnen, auf meine wirklichen Bedürfnisse zu hören. Und voilà, da war er, der Wunsch, zu schreiben. Liam Andersen ist mein erstes wirkliches Buch. Mein erstes wirkliches Projekt. Noch im Jahr 2019 dachte ich mir, dass ich es niemals schaffen würde, ein eigenes Buch zu schreiben. Aber über meinem Schreibtisch hängt ein Vision Board und einer meiner Lieblingssprüche darauf ist: Du musst nicht spitze sein, um anzufangen, aber du musst anfangen, um spitze zu werden. Besser geht immer, und nach oben ist noch sehr viel Luft. Aber ich freue mich auch darauf, mit jedem Projekt dazuzulernen.

 

Die letzte Frage ist nicht ganz uneigennützig 😉 Was steht bei dir als Nächstes an? Wann gibt es neuen Lesestoff von Anna Morgenroth?

 

Nun ja, Liam hat noch ein paar Abenteuer zu bestehen und ich möchte das zweite Buch eventuell noch dieses Jahr veröffentlichen. Dann liegt ja noch besagter Krimi in der Schublade und wartet auf seine Erweckung. Es geht übrigens um einen toten Lehrer an einem Bamberger Gymnasium. Ein bisschen Kritik am bayrischen Schulsystem darf da natürlich auch nicht fehlen. Außerdem habe ich mit meiner Schreibgruppe ein gemeinsames Buch begonnen, wir nennen es „Projekt 25“ und es ist ebenfalls ein Fantasybuch für Jugendliche. Es ist für mich wahnsinnig spannend, zu sehen, was dabei herauskommt, wenn drei Leute ihre Gehirnzellen zusammenwerfen und ein gemeinsames Süppchen kochen. Verderben viele Köche den Brei oder wird das ein spannendes Gebräu? Und mein Kopf ist voller Ideen. Ich weiß gar nicht, wie ich je von mir denken konnte, dass ich nie die Idee zu einem Buch haben würde. Wenn man den Stein einmal ins Rollen bringt … Was ihr nie von mir lesen werdet, sind Liebesromane. Für alles andere kann ich nicht garantieren.

 

Liebe Anna, ich danke dir ganz herzlich für deine Zeit und das spannende Interview!

 

 Überblick und Links

 

Anna Morgenroths Website: https://annamorgenroth.de/

 Anna Morgenroth auf Instagram: @anna.morgenroth

 … und „Liam Andersen und das Buch der Schatten“ gibt es hier.

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